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LKA-Chef warnt vor Verwahrlosung - Neuer Graffiti-Boom belastet Sicherheitsgefühl „Ferienzeit ist Schmierzeit“

Von unserem Mitarbeiter Roland Böhm
Ein neuer Graffiti-Boom in Baden-Württemberg ist nach Ansicht des Landeskriminalamts (LKA) eine Gefahr für die Sicherheit in den Städten. „Wir stellen eine zunehmende Verwahrlosung im öffentlichen Raum fest“, mahnte LKA-Präsident Ralf Michelfelder. „Immer unansehnlicher“ würden einige Ecken – und das gehe zu Lasten des Sicherheitsgefühls der Menschen.

„Die Leute haben Angst, dass öffentliche Räume okkupiert werden.“ Vielfach kümmere sich niemand etwa um Graffiti-Schmierereien. Michelfelder sieht die Städte in der Verantwortung. Doch dort heißt es: Man tue schon, was man könne. „Bei Schmierereien haben wir dieses Jahr eine Zuwachsrate in Richtung von zehn Prozent“, berichtete Michelfelder. Und sowas potenziere sich. „Zum Graffiti von diesem Jahr kommt das Graffiti vom letzten Jahr. Und dazu die aus dem Jahr davor.“ An solchen Ecken werde eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt, die ganze Stadtteile verlottern lasse. Der LKA-Chef beruft sich auf die Broken-Windows-Theorie, nach der solche Entwicklungen in Mord und Totschlag gipfeln können. „Wenn an einem abgestellten und scheinbar herrenlosen Auto eine Scheibe eingeschlagen ist, dauert es nicht lange und das ganze Fahrzeug ist demoliert.“ Entfernt würden Graffiti-Schmierereien selten, behauptete Michelfelder. „Wer, außer der Witterung, entfernt Graffiti im öffentlichen Raum?“ Dabei müssten Polizei und die Städte beim Thema Sicherheit an einem Strang ziehen. „Wir als Polizei haben das Gewaltmonopol, aber wir haben nicht das Sicherheitsmonopol.“ Für die Sicherheit in der Gesellschaft seien auch andere zuständig. Die Stadtverwaltung in Stuttgart sei bemüht, Schmierereien an öffentlichen Gebäuden nach Bekanntwerden innerhalb von zwei bis vier Tagen zu beseitigen, versicherte Stadtsprecher Sven Matis. Es werde „je nach Brisanz“ entschieden. Hakenkreuze, rassistische oder sexistische Schriftzüge würden möglichst sofort entfernt und eine Strafanzeige erstattet. In Bad Cannstatt seien freigegebene Betonflächen, mit denen man für „ernsthafte Sprayer“ und ihre Kunst ein „Ventil geöffnet“ habe. Die Kosten für die Entfernung von Schmierereien an Stadtbahnzugängen, Unterführungen oder Brücken bezifferte die Landeshauptstadt auf rund 150 000 Euro Jahr für Jahr. Die Deutsche Bahn, ebenfalls Herrin über so manch schmuddelige Ecke an Bahnhöfen, ist nach Angaben von Sprecher Roland Kortz ebenfalls bemüht, Schmierereien so rasch wie möglich zu beseitigen. Besprühte Bahnen würden umgehend aus dem Verkehr genommen. Ferienzeit sei Schmierzeit – was zeige, wo die Täter vermutet würden. Alles werde angezeigt, wie viele Täter gefunden würden, konnte er nicht sagen. Nach Angaben des Städtetags Baden-Württemberg sind die Kommunen davon überzeugt, dass es richtig ist, Graffiti so schnell wie möglich zu entfernen. „Manchmal ist das aber aus unterschiedlichsten Gründen nicht so einfach möglich“, sagte Sprecherin Christiane Conzen. So sei Graffiti auf Sandstein etwa nur schwer zu entfernen. Auch sei es nicht damit getan, sowas einfach nur wegzumachen. „Der gesamte Raum braucht eine Aufwertung, sonst ist es ein Hase-und-Igel-Spiel zwischen Sprayern und Reinigungskräften.“ Dass Sauberkeit tatsächlich das Sicherheitsgefühl der Menschen stärken kann, zeigte zuletzt sogar eine Studie von Wissenschaftlern der Uni Speyer zur sagenumwobenen Stuttgarter Kehrwoche. Befragt danach, warum sie sich am Gehsteigfegen im wöchentlichen Wechsel unter den Wohnparteien beteiligten, gaben überraschend viele an, sich dann sicherer zu fühlen. „Dass die Kehrwoche aber als Synonym für Sauberkeit dient und den Befragten so ein Stück Sicherheit bietet, habe ich so nicht erwartet“, sagte Soziologe Daniel Rölle. Mehrere Städte – darunter auch Stuttgart – machen sich derzeit intensive Gedanken über mehr Sauberkeit.

Quelle: Badische Neueste Nachrichten | Karlsruhe | SÜDWESTECHO | 27.12.2016

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