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„Teiglinge aufbacken ist kein Handwerk“ - „Der Feinschmecker“ zeichnet zwei Bäckereien und das Backlädle Thomashof aus / Nur noch 16 Betriebe in Karlsruhe

Vorgefertigte Teiglinge kommen Martin Meier nicht in den Ofen. Auch Convenience-Backmischungen duldet er nicht in seiner Backstube in der Goethestraße. Der Sauerteig wird täglich frisch angesetzt, ebenso werden spezielle Vorteige angesetzt.
Das Mehl bezieht er von einer Mühle in Knittlingen. „Wir kochen sogar unsere Körner selbst, in einem Cremekocher. Dabei nehmen die Körner ein Vielfaches der Flüssigkeit auf. Danach lassen wir das Ganze quellen.“ Der abgekühlte Körnerbrei wird dann dem Brotteig beigemengt. „Dadurch bleibt das Brot später feucht und wird nicht trocken“, erklärt der Bäckermeister.
„Ich will wissen, was drin ist“
„Ich habe das Handwerk doch nicht gelernt, um Tiefkühlteiglinge aufzubacken“, sagt der 39-Jährige, und es klingt fast ein wenig trotzig. „Ich will hinter meinem Produkt stehen und wissen, was drin ist.“ Martin Meier ist Bäcker mit Leib und Seele. Vor zehn Jahren übernahm er das Geschäft von seinem Vater Albert in der Jollystraße und vergrößerte die kleine Familienbäckerei um drei Filialen. Ein Wagnis, das viel Arbeit und Kraft gekostet hat. „Ich dachte aber damals, jetzt oder nie. Mit 30 hat man noch genug Power – jetzt zehn Jahre später und mit Familie würde ich es vielleicht so nicht mehr machen.“ Den Grundstein für die Familienbäckerei, die heute rund 40 Mitarbeiter beschäftigt, davon zwölf in der Produktion, legte Martin Meiers Großvater Leo mit seiner Backstube samt Verkaufsladen in der Brauerstraße.
Teig geht bis zu 24 Stunden
Gut Ding will Weile haben. Meiers Brotteig auch. „Alle unsere Teige ruhen zwischen 20 und 24 Stunden. Das wirkt sich auf den Geschmack aus. Das Brot bleibt zudem lange frisch – ganz ohne Zusatzstoffe wie Schimmelschutz und Konservierungsmittel.“ Das macht für ihn einen der wesentlichen Unterschiede zwischen handwerklich hergestelltem Brot und Industriebrot: „Beim letzteren dauert dieser Vorgang maximal eine Stunde.“ Durch die lange Gehzeit benötige sein Teig zudem viel weniger Hefe – das mache das Brot verträglicher, sagt Meier. Er weiß, dass das alles sehr zeitintensiv ist und er dafür auch mehr Personal benötigt. Beides nimmt er bewusst in Kauf: „Am Ende zählen Qualität und Geschmack für mich. So können wir uns von den Billig-Backshops abheben.“
Das honorieren nicht nur Meiers Kunden. Das Gourmetmagazin „Der Feinschmecker“ wählte die Bäckerei Meier im jüngsten Sonderheft zu den besten Bäckern Deutschlands. Die Auszeichnung bekam die Karlsruher Familienbäckerei bereits zum zweiten Mal.
Nah am Kunden
„Zu meiner Lehrzeit gab es alleine in Mühlburg 20 Bäcker“, erinnert sich Klaus Lörz, der heute 69 Jahre alt ist. Der Familienbetrieb mit dem Stammhaus in der Hardtstraße in Mühlburg wurde von Großvater Georg Lörz 1932 gegründet. „Nachdem mein Opa im Krieg fiel, machte mein Vater Heinrich die Meisterprüfung und führte den Betrieb weiter“, erzählt Klaus Lörz. Neben dem Stammhaus, an das die Backstube angeschlossen ist, hat Lörz drei Filialen. „Weiter wachsen wollten wir nicht, wir möchten so nah wie möglich am Kunden sein, ihm immer frische Ware anbieten“, sagt er. Wenn man zu groß ist, gehe das zu Lasten der Qualität, findet der 69-Jährige. „Wir belegen beispielsweise erst dann ein Brötchen, wenn der Kunde tatsächlich danach verlangt. So können wir auf die individuellen Wünsche eingehen. Natürlich ist das aufwendig, aber wir pflegen das. Nur morgens werden einige Brötchen und Butterbrezel für Stammkunden vorgerichtet.“
Eigene Brotmischungen
Wichtig ist Bäckermeister Lörz auch gutes, beständiges Personal. „Der Kunde erwartet eine Ansprache, schätzt den Bezug zum Verkaufspersonal. Er will nicht als XY durchgeschleust werden“, sagt Klaus Lörz, der das Geschäft gemeinsam mit Mutter Vera und Bruder Thomas führt. Inzwischen sind auch seine Nichte Johanna und ihr Lebensgefährte dabei, der die Bäckermeisterprüfung absolviert hat. Wie Meier verzichtet auch Lörz auf Fertigmischungen und Tiefkühlware. „Wir machen unsere Brotmischungen alle selbst“, sagt der Bäckermeister. Auch seine Produkte überzeugten das Gourmetmagazin „Der Feinschmecker“ – zum wiederholten Male. Die erste Auszeichnung gab es bereits im Jahr 2000, seitdem kann sich Klaus Lörz und sein Team regelmäßig mit dem Zertifikat schmücken.
Rund 40 Brotsorten hat Lörz im Sortiment („natürlich sind nicht immer alle da“), alle sind selbst entworfen. Ständig auf neue Trends aufzuspringen, ist nicht sein Ding. Ein „Weltmeisterbrot“ habe es beispielsweise nie in seine Regale geschafft. Wie um das Gesagte zu unterstreichen, schüttelt er energisch seinen wilden Lockenkopf. „Die Industrie bombardiert uns Bäcker ständig mit neuen Fertigmehlmischungen“, sagt Lörz, der sein Mehl von Mühlen in Knittlingen und Friedrichsthal bezieht.
Lob für Quereinsteiger
In die Feinschmecker-Liste der besten Bäcker Deutschlands hat es auch das „Backlädle Thomashof“ von Irina und Albert Rahn in der Rittnertstraße. Albert Rahn sieht die Auszeichnung als eine Bestätigung, „dass wir auf dem richtigen Weg sind“. Gezielt mit dem Zertifikat werben wolle er aber nicht. „Unsere Produkte sind unsere Werbung“, sagt Albert Rahn, der 2003 zunächst damit begann mit seiner Frau Irina Steinofenbrot von einer Bäckerei zu verkaufen. Inzwischen backt das Paar eigenes Bauernbrot im Steinofen. Beide sind Quereinsteiger, keine ausgebildeten Bäcker, aber leidenschaftlichen Hobbybäcker. „Wir haben uns auf alte traditionelle Rezepte spezialisiert und auf Gebäck mit Dinkel.“ Eine ausgebildete Konditorin ergänzt das Team.
Discounter wachsen weiter
Rund 70 Kilogramm Brot isst jeder Bundesbürger im Durchschnitt. Die Zahl ist seit vielen Jahren relativ stabil, sagt Karl-Heinz Jooß. Was sich wesentlich geändert hat, so der Obermeister der Bäckerinnung Karlsruhe, ist aber das Kaufverhalten. Deutlich mehr Kunden holen Brot und Brötchen bei Discountern und in Backshops. 2002 titelten die BNN noch in einem Artikel „In den Supermärkten liegt der kleine Teigling schon“. Seitdem haben die Discount-Bäcker ein dickes Stück vom „Brotkuchen“ weggefuttert: Ihr Anteil beträgt inzwischen satte 50 Prozent.
Nord-Süd-Gefälle
Auffällig sei ein starkes Nord-Süd-Gefälle. Im Norden Deutschlands dominierten die Großbäckereien, im Süden kleine Familienbetriebe, sagt Jooß. Dennoch: „Der Abschmelzungsprozess ist gewaltig. Bundesweit schließen im Schnitt pro Jahr zwei bis drei Prozent Bäckereien.“ Umso mehr freute sich Jooß über die Eröffnung einer neuen Bäckerei in Karlsruhe und spricht von „einem kleinen Wunder“: Bäckermeister Thomas Schmidt backt seit Spätsommer in der Ritterstraße – ebenfalls ganz traditionell, ohne Teiglinge und ohne Backmischungen.
„Unsere Bäcker backen noch alle selbst“, sagt Jooß selbstbewusst. Manche ergänzten aber ihr Sortiment mit Spezialitäten wie Pizzataschen oder rustikalen Snacks und nutzten auch einzelne Convenience-Produkte. Als Beispiel nennt er ein Puddingteilchen: Man kann dafür ganz traditionell einen Pudding kochen oder ein Kaltcremepulver benutzen, das man dann mit Milch, Sahne oder Ei verfeinert.
Früher 400 – heute 16 Betriebe
„In meiner Jugendzeit gab es in Karlsruhe 400 Innungsbetriebe“, erinnert sich Bäckermeister Jooß. Und heute: Die Bäckerinnung Karlsruhe listet 41 Handwerksbetriebe im Stadt- und Landkreis Karlsruhe. 16 davon sind in der Fächerstadt, darunter sind sowohl kleine Familienbäckereien mit nur einem Ladengeschäft als auch Bäckereibetriebe mit mehreren Filialen. Dazu kommen noch die Filialen von fünf Bäckereien, die ihren Sitz im Landkreis haben – wie Badische Backstub’, Nussbaumer oder auch Viesel, der seinen Stammsitz über 100 Jahre in der Oststadt hatte, inzwischen aber seine Backstube nach Blankenloch verlegt hat.
Die Gründe für das Bäckersterben sind vielschichtig. Manche können nicht mit den Preisen der Großbäckereien und Discounter mithalten, andere finden keinen Nachfolger. Manche geben an dem Punkt auf, wenn sie im fortgeschrittenen Alter sind und in neue Maschinen investieren müssten. „Wir versuchen immer wieder Leute anzusprechen, die sich selbstständig machen möchten, ob sie nicht eine Bäckerei, die einen Nachfolger sucht, übernehmen möchten“, sagt der Obermeister. Wenn man bei Null anfängt und alle Geräte kauft, seien die Kosten enorm. „Man muss heute mindestens eine halbe Million Euro investieren“, rechnet Jooß vor.
Es fehlen Lehrlinge
Beim Bäckernachwuchs sieht es „sehr dünn aus“, stellt Jooß fest. Gerade mal 50 junge Menschen absolvieren aktuell eine Ausbildung zum Bäcker (Karlsruhe: zwölf, Karlsruhe-Land: 38). Ein mögliches Potenzial sieht der Obermeister bei den Flüchtlingen. Bei einer speziellen Ausbildungsmesse in der Durlacher Gewerbeschule stellten zuletzt 18 Bäckereien ihre Betriebe und die Berufe des Bäckerhandwerks vor. Mehr als 200 Flüchtlinge informierten sich. „Ich bin bereit jedes Jahr auszubilden, aber es hat sich aktuell niemand gemeldet“, sagt Martin Meier. Er ist überzeugt, dass das Aufkommen der Backshops dem Bäckerhandwerk geschadet hat.
Quelle: Badische Neueste Nachrichten

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